Die Entstehung der „Alten Mangel“ in Ebersbach-Neugersdorf

Wie die „Alte Mangel“ entstand

Unerträglich wurden die Flüche. Selbst im Kirchgang waren sie nicht mehr weit von Gotteslästerung weg. Zugegeben - es fehlte der Grund, fröhlich durch's Leben zu gehen. Verbot ihm doch der Zittauer Rat, sein Eigentum im Ebersbacher Niederdorf zu betreten. Seit langern sah der mit Argwohn Aktivitäten in den Ratsdörfern, zu denen Ebersbach als unumschränktes Eigentum zählte. Durch Fleiß und Geschick waren Johann Christian Freude, Gottfried Bitterlich und Christian Conrad Gerathewohl als Dorfhändler (Faktoren) zu hohem Ansehen gelangt. Auf Reisen hatten sie ihr Wissen erweitert. Christin Conrad Gerathewohl war in Geschäften bis nach Holland, nach Italien, selbst nach England gefahren und wurde so Zeuge technischer Entwicklung. Das stärkte sein Selbstbewußtsein. Und außerdem webten die Südlausitzer Dorfweber längst mehr Leinen als alle städtischen Zünfte zusammen. Doch veredeln durften sie es nicht selber. Es wurde ins böhmische Georgswalde gebracht. Nicht allein das verteuerte die Ware. Auch die Zöllner schröpften hinreichend ab. Wie Zöllner das eben so machen.

Deshalb kaufte Gerathewohl im Sommer 1780 im Niederdorf Land, ließ Holz aus Böhmen anfahren, weil es ihm dort billiger kam als im stets überteuerten Sachsen. Und so errichtete er für Ebersbach eine eigene Mangel nebst Pferdestall und Färbergebäude. Im Jahre 1782 waren sie fertiggestellt. Welch ein Affront gegen die Vormundschaft der Zittauer Zünfte! Und überhaupt: Wußte kraft seiner Macht nicht allein Zittau, was den Oberländern gut tat? Und was nicht? Die Gerathewohlschen Gebäude wurden versiegelt. Christian Conrad war damit der Zugang zu allem verwehrt, ja selbst zur neueingerichteten Wohnung.

So blieb ihm nichts anderes, als die Fäuste zu ballen und Flüche zum Himmel zu schicken. Doch Christian Conrad Gerathewohl wäre kein echter Oberlausitzer gewesen, hätte er sich nicht gegen obrichkeitliche Willkür gewehrt. Auf Streitereien mit den Zittauern ließ er es nicht lange ankommen, bat Kurfürst Friedrich August III. um Hilfe. Und der höchstpersönlich entschied den unproduktiven und damit dem Land schädlichen Streit: Die Ebersbacher Mangel wurde 1793 von allen Beschränkungen befreit, arbeitete fortan mit hohem Gewinn. Doch schon fünf Jahre später, am 16. Februar 1798, starb Christian Conrad Gerathewohl im 62. Lebensjahr, Sohn eines einfachen Ebersbacher Häuslers und Schuhmachers. Mit seinem Tod endete auch bald ein kurzes, doch glänzendes Kapitel in Ebersbachs Wirtschaftsgeschichte. Um 1800 mußte der Mangel-Betrieb eingestellt werde. Und die 1806 von Napoleon verordnete Kontinentalsperre verletzte dann der gesamten Oberlausitz einen schweren wirtschaftlichen Schlag. Er war nicht der letzte...


zurück